Kai-Fu Lee, ehemaliger Chef von Google China, passt die Strategie seines KI-Startups 01.AI an und setzt vollständig auf das Open-Source-Modell Deepseek. Er sieht darin eine existenzielle Herausforderung für das Geschäftsmodell von OpenAI.
In einem Interview mit der South China Morning Post erklärte Lee, dass sein Unternehmen die vorherige Strategie, proprietäre große Sprachmodelle zu trainieren, aufgegeben und sich vollständig auf Deepseeks Open-Source-Produkt verlässt. Er sagte, die Veröffentlichung von Deepseek habe in China einen „ChatGPT-Moment“ ausgelöst und die Integration des Modells durch inländische Hardware- und Softwareanbieter vorangetrieben. Diese Entscheidung fiel Ende Januar nach einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage chinesischer Unternehmen nach Deepseek.
Lee sieht in der kostenlosen Open-Source-Natur von Deepseek eine fundamentale Herausforderung für OpenAI: „Der größte Albtraum für Sam Altman ist, dass sein Konkurrent kostenlos ist. Ich habe schon viele Leute getroffen, die ihr ChatGPT-Abo wegen der kostenlosen Verfügbarkeit von Deepseek gekündigt haben.“
Das 200 Mitarbeiter starke 01.AI plant nun, sich auf die Anpassung des Deepseek-Modells für Unternehmenskunden in den Bereichen Finanzen, Spiele und Recht zu konzentrieren. Trotz des strategischen Wandels betont Lee, dass die technische Expertise seines Unternehmens, insbesondere im Bereich Modelltraining, -anpassung und -inferenz, weiterhin sehr wertvoll ist. Er erwartet für das erste Quartal 2025 einen Umsatz von 100 Millionen RMB (13 Millionen USD), was dem Jahresumsatz von 2024 entspricht. 01.AI ist jedoch noch nicht profitabel.
Auf die jüngsten Aufrufe von OpenAI und Anthropic an die US-Regierung, das Deepseek-Modell zu verbieten, reagierte Lee mit dem Hinweis auf „paranoide Reaktionen“: „Sie sehen zu, wie ihr Kartenhaus einstürzt, weil jemand kostenlos ein gleich gutes Haus gebaut hat.“
Lee wies auch auf die enorme Diskrepanz bei den Betriebskosten der beiden Unternehmen hin: OpenAI hatte Berichten zufolge 2024 Betriebskosten von 7 Milliarden USD, während Deepseek nur etwa 2 % dieser Summe benötigte. Er beschrieb Deepseek als „unendlich haltbar“, da die Gründer über genügend Kapital verfügen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und die Rechenkosten um das 5- bis 10-fache reduziert wurden.